Wie neuronale Übungen die Körperhaltung optimieren
Erschienen im body LIFE Magazin; www.bodylife.com
Mithilfe neuronaler Übungen lassen sich Koordination, Körperhaltung und Beweglichkeit verbessern. Auch Menschen mit neurologischen Erkrankungen, wie bspw. ADHS, profitieren von solch einem „sanften“ Training, das einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt.
Übungsbeschreibungen siehe unten
Die aufrechte Körperhaltung im Einbeinstand ausbalancieren, das freie Bein dynamisch schwingen und einen Ball hochwerfen und wieder auffangen: Diese lebendige Übung verdeutlicht, wie neuromuskuläres Training das zentrale Nervensystem und den Bewegungsapparat gleichermaßen fordert. Ähnliche Bewegungsabläufe beanspruchen uns Menschen im Alltag ständig – sei es im Supermarkt beim Greifen einer Lebensmittelpackung aus dem obersten Regal oder wenn das Bordcase im Flugzeug über Kopf in die Ablage gehievt wird. Starke Muskeln ermöglichen diese Bewegung, eine geschulte Propriozeption gestattet eine gute Bewegungsqualität. Diese Fähigkeit, schnell und präzise zu reagieren, schützt uns vor Verletzungen beim Sport, aber vor allem auch im Alltag.
Propriozeption und Koordination
Haltung ist nicht statisch, sondern ein ständiges Zusammenspiel von dem Empfangen von Stellimpulsen (Propriozeption), Reflexen, Zug und Gegenzug, Anspannung und Entspannung. Propriozeptive Übungen schulen das Wahrnehmen einer körperlichen Position sowie das Erlernen, Steuern und Anpassen von Bewegungen. Es besteht zum Beispiel eine neuroanatomische Verbindung zwischen unserem Gleichgewichtsorgan und der Muskelgruppe der Extensoren. Verspannungen in der hinteren Kette dienen häufig als Schutzfunktion. Sie äußern sich meist in einer reduzierten Vorwärtsbeuge, Verspannungen im Beinbeuger oder chronischen Rückenschmerzen. Falsche Bewegungsausführungen und Fehlhaltungen verstärken diese Defizite oftmals. Wenn die Muskeln ihre Aufgabe jedoch optimal erfüllen, können sie kraftvoll das Skelett stabilisieren und gleichzeitig reaktionsbereit spontan auf Veränderungen reagieren.
Ein ganzheitliches Training umfasst alle Ebenen der Motorik:
- Tiefensensibilität, propriozeptives System, Senso- motorik,
- reflektorische Stabilisationsfähigkeit (reflektorisch die richtigen Muskeln ansteuern, um zusätzlich Kraft schnell abrufen zu können),
- bewusste Ausführung komplexer Bewegungsmuster,
- Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Beweglichkeit. Außerdem schließt es die folgenden sieben koordinativen Fähigkeiten ein:
- Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit,
- Differenzierungs- und Steuerungsfähigkeit,
- Reaktionsfähigkeit,
- Orientierungsfähigkeit,
- Gleichgewichtsfähigkeit,
- Rhythmisierungsfähigkeit,
- Kombinations- und Kopplungsfähigkeit.
Ein propriozeptives Training bildet die Grundlage für eine gute Bewegungsqualität. Ziele neuronaler Übungen sind die Verbesserung der Bewegungsqualität und die Erhöhung der neuromuskulären Effizienz bei Bewegungen im Sport, im Alltag und vor allem auch beim Bewegen von Gewichten. Wie selbstverständlich wird sich die äußere Haltung aufrichten. Dadurch verschwinden automatisch Defizite der Körpermechanik. Dies spiegelt sich schnell in allen Lebensbereichen positiv wider.
Neuronales Training
Ein neuronales Training sollte direkt im Anschluss an das Warm-up als eigenständige Trainingseinheit durchgeführt werden. Übungszeiten von etwa 30 bis 45 Sekunden und ebenso lange Pausenzeiten in ins- gesamt zwei bis drei Serien haben sich dabei bewährt. Der Atemrhythmus sollte stets gleichmäßig fließend sein. Das Schließen der Augen als optionale Variante erhöht den Schwierigkeitsgrad der einzelnen Übungen. So komplex die Verschaltung im Nervensystem ist, so komplex sollten auch die Übungen im Training gestaltet sein, um Funktionen schneller zu verbessern und Dysfunktionen effektiver zu beseitigen. Um die Körperwahrnehmung zu verbessern, kann sich der Kunde vorstellen, dass sein Kopf entspannt in Verlängerung der Körperlinie schwebt – wie eine Lotusblüte auf dem Wasser.
Tipp:
Eine optimale „neuronale“ Haltung beginnt im Fuß. Also: Schuhe aus! Der propriozeptive Input über die Fußsohle als direkten Kontakt zur Unterlage verbessert automatisch die Performance der Klienten. Barfuß wird die dreidimensionale Biomechanik des Fußes – Eversion, Inversion, Abduktion, Adduktion, Innen- und Außenrotation – optimal trainiert.
Kniebeuge auf der Faszien-/ Halbrolle
Ob beim Ein- oder Ausräumen der Spülmaschine oder beim Gärtnern: Immer wieder ist die Kniebeuge im Alltag gefragt. Deshalb ist es wichtig, die Mobilisation von Hüfte, Knie und Sprunggelenk zu erhalten, gleichzeitig ihre Stabilisationsfähigkeit zu stärken und das koordinative Zusammenspiel der Muskelgruppen zu optimieren.
Ausgangsposition: Aufrechter Stand auf der Faszienrolle oder mit zwei Minibändern und Thera- band auf der Halbrolle. Kniebeuge hüftbreit auf der Faszien- oder Halbrolle durchführen.
Variante: Auf einem Bein.
Hoher Seitstütz
Ausgangsposition: Hoher Seitstütz, ein Theraband ist um die Hände geschlungen. Ein Miniband ist oberhalb der Kniegelenke, eins oberhalb der Sprunggelenke. Die Beine sind gestreckt.
Beschreibung: Den oberen Arm und das Bein abspreizen und wieder ranziehen.
Standwaage
Ausgangsposition: Aufrechter Stand. Das Theraband ist um den linken Vorderfuß und um beide Hände geschlungen.
Übungsbeschreibung: Langsam auf dem rechten Bein in die Standwaage gehen. Die Arme nach vorn strecken. Den Körper ruhig ausbalancieren. Abwechselnd den rechten und den linken Arm nach vorn in die Verlängerung des Oberkörpers ziehen.
Variante: auf dem Fußpad, der Halbrolle oder dem Therapiekreisel.